67: Als ich vor meiner ersten Aufnahme saß, wusste ich rein gar nichts vom Prozess.
Wie auch?
2012 gab es bestimmt schon ein paar Anleitungen oder Hilfeseiten im Netz, die einem den Einstieg hätten erleichtern können, aber die hatte ich nicht auf dem Schirm.
Ich gehörte auch nicht zur ersten Welle der deutschsprachigen Podcaster und ich hatte eine Menge Menschen als Vorbild, denen ich nacheifern wollte.
Die sprachen recht flüssig und spontan wirkend in das Mikro und schienen rhetorisch fit zu sein.
Also das genaue Gegenteil von mir.
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Die ersten Versionen meines Lösungsmittel-Podcasts, der immer noch in iTunes als mein erster Podcast rumschwirrt, habe ich mehrmals aufgenommen. Perfektionistisch wie ich war, verwarf ich dutzende Versuche und löschte sie vom Rechner.
Ich war unzufrieden mit der Menge an Füllwörtern, mit Ähs und Öhs, mit Schachtelsätzen, halb angefangen Satzungetümen und unvollendeten Ausklängen.
Vielleicht kennst du das?
Es brauchte also einige Versuche, diverse Kannen Kaffee, ein paar zuknallende Türen und einige Aspirin, um meinen ersten Worflow zum Aufnehmen zu finden.
Ein Workflow, der ein Stück weit heute noch meiner ist, auch wenn ich ihn deutlich erweitert, bzw. an den richtigen Stellen verschlankt habe.
Es ist also ein Prozess.
Und darauf darfst du dich auch einlassen.
Was war aber mein erster Schritt in die richtige Richtung?
Der erste Schritt war, dass ich ein Skript von dem machte, was ich sagen wollte. Dabei ist mir recht schnell aufgefallen, dass meine Sätze zu akademisch klingen.
Sobald wir etwas schreiben, verfallen wir in eine Art „Schulmodus“ und wollen möglichst gut und gebildet klingen.
Das Problem daran: Abgelesen klingt das meist total steif.
Abseits dessen nutze ich viel zu lange Sätze.
Wenig Nebensätze und eine Menge Substantive.
Seiten, die besseres Schreiben zeigten, gab es 2012 noch nicht.
Oder ich hatte auch die nicht auf dem Schirm. Damals machte ich das alles noch neben meiner 40-Stunden-Stelle (plus 5-6 Stunden Hin- und Rückfahrt pro Woche).
Wenn du dich dahingehend etwas fitter machen möchtest, dann empfehle ich dir das Buch „Deutsch für junge Profis“ von Wolff Schneider, den Werbetexten-Bereich vom Affenblog und auch Walter Epps eBook „Doping für deinen Schreibstil“.
Auf jeden Fall war ich in der Zwickmühle: Einerseits musste ich mich strukturieren und Füllwörter vermeiden, weil ich kein guter Rhetoriker bin. Andererseits musste ich so schreiben, dass es nicht hölzern klingt.
Die damalige Lösung: Ich habe mir selber in Alltagssprache diktiert, was ich sagen möchte. Und zwar laut.
Ich lief also durch mein Arbeitszimmer und redete mit mir selber. Sätze, die ich gut fand, schrieb ich so auf, wie ich sie gesagt habe.
Und zwar genau so!
Jeder Deutschlehrer würde sich an den Kopf fassen für die Satzstrukturen, die wir in der Alltagssprache nutzen.
Eine Reihe von Hauptsätzen, ohne Nebensatz – vollkommen normal.
Ein mit UND angefangener Satz – ebenso.
Achte mal darauf, wenn du sprichst. Es ist faszinierend.
Im Endeffekt ist das auch der Stil, den du im Blog nutzen solltest, damit du verständlich und schnell konsumierbar schreibst.
Aber auch ein Skript in bester Alltagssprache wird in den ersten Verscuhen abgelesen klingen. Das ist vollkommen normal.
Warum auch immer, aber die meisten Menschen, die einen Text ablesen, klingen auch so. Wir lesen nicht oft laut und kennen das nur aus der Schule. Vermutlich habe wir von dort diesen typischen Sing-Sang her, den wir beim Runterlesen von Texten einfach automatisch drin haben.
Sei also nicht verwundert, wenn es am Anfang auch in Alltagssprache hakt. Übe das ein wenig, arbeite mit deiner Mimik (!!!) und schon nach kurzer Zeit wirst du besser.
Du wirst dir jetzt vermutlich denken: „Puh, das ist aber eine ganz schöne Arbeit!“
Ja, da hast du recht. Das ist es. Keine Illusionen.
Der Vorteil ist aber, dass du einen gesprochenen Text hast, der frei ist von Füllwörtern oder -lauten und direkt noch ein Transkript ist.
Ich werde ab und an gefragt, wer meine Transkripte macht und warum der nichts drauf hat. Die meisten sind überrascht, dass ich die Blogartikel heute immer noch weitestgehend ablese und dabei aber immer mal wieder abschweife oder Sachen ergänze.
Die Podcast-Episoden sind also immer die erweiterte Version der Blogartikel.
Aber wie geht es denn nun mit weniger Vorarbeit?
Mit ein wenig Routine wirst du auf die Idee kommen, auf Skripte zu verzichten und stattdessen Stichworte zu nehmen. Dir wird dann schnell auffallen, dass du DAFÜR vermutlich noch keine Routine hast und du wirst dich vielleicht wieder etwas unsicher fühlen.
Zumindest, wenn du vorher mit Skripten gearbeitet hast.
Mit Stichworten eine Episode zu sprechen ist auf jeden Fall mit mehr Füllwörtern, Überlegungen und somit auch mit mehr Schneidearbeit verbunden, als beim Ablesen eines Skriptes.
Dafür bist du aber in der Vorbereitung etwas schneller.
Das Rausschneiden von Füllwörtern wird am Anfang aber auch seine Zeit kosten und so wirst du in Summe vermutlich genau so viel Zeit brauchen, als einen Text vorzuschreiben.
Allerdings wirst du von Episode zu Episode besser und schneller werden, weil dein Gehirn diese Art des Arbeitens nun lernt und entsprechende Synapsen im Gehirn verbindet.
Parallel wird sich auch dein Eigenanspruch normalisieren, was die Menge der schrecklichen Füllwörter oder Ähs angeht. Ironischerweise brauchen wir einige dieser Füllwörter oder Ähs sogar, damit der Text nicht zu klinisch wirkt.
Ich habe einige Episode von einem Podcaster gehört, der seine Folgen nachbearbeiten lässt. Dort werden sämtliche Ähms und Pausen aus dem Text genommen. Das Ergebnis ist ein Stakkato von Sätzen, das irgendwie künstlich klingen.
Sei also nicht zu streng mit dir selber, wenn du einen Text einsprichst. Den wenigsten wird das auffallen. Es sei denn, du hast vorher nur abgelesen. Dann merkt man vielleicht den Wechsel.
Das würde ich dann aber einfach auch kund tun im Podcast. Dafür werden deine Hörer Verständnis haben. Und wer das doof findet, dass du auf einmal spontaner sprichst, aber dafür nicht mehr „perfekt“, der gehört eh nicht in deinen Dunstkreis.
Das Arbeiten mit Stichworten mache ich bei Solopreneur’s Moshpit nur.
Wenn ich eine Episodenidee habe, dann trage ich sie in mein Evernote ein – direkt mit ein paar Stichworten. Diese Stichworte landen dann als „Kernaussagen der Episode“ fast immer 1:1 auch im Blog. Und an diesen Kernaussagen hangele ich mich durch die Episode.
Das ist roh, echt und sehr nahbar.
Frei zu sprechen ist eine Sache, die ich bis heute nicht gut kann. Aber zumindest werde ich besser darin.
Ich würde gerade am Anfang vielleicht nicht auf die freie Rede setzen und das hat mehrere Gründe.
Zum einen ist es schwer den roten Faden beizubehalten, wenn man so vor sich hin redet. Das können vielleicht erfahrene Rhetoriker oder Speaker, wobei ich da auch nicht meine Hand für ins Feuer legen würde, dass das alle erfahrenen Sprecher so machen würden.
Und dieser rote Faden ist für den Zuhörer unglaublich wichtig, zumal er keine visuellen Anhaltspunkte hat und nicht sieht, wo du dich gerade befindest.
Es gibt im Nicht-Business-Bereich einige Podcaster, die so vor sich hin plaudern und die Episoden gehen nicht selten deutlich über eine Stunde. Aber ich denke mir dann immer: „Wer, um alles in der Welt, hat so viel Zeit, sich das anzuhören?!“
Deswegen würde ich dir den Tipp geben, es zumindest mit Stichwörtern zu probieren, denn dann kannst du den roten Faden zumindest selber noch sehen.
Aber vielleicht ist das auch nur aus meiner Weltsicht so. 😉
Probier es einfach aus. Und üben kann man das bestimmt auch.
Diese drei Arten der Vorbereitung (Skript, Stichworte und freie Rede) sind die gängigen.
Aber ich möchte dir noch zwei andere Arten zeigen, die ich auch schon bei Podcastern gesehen habe.
Mindmaps sind aus meiner Sicht ein wunderbarers Tool, um den roten Faden auf einen Blick zu erkennen und mit Stichworten zu arbeiten. Jede Verästelung ist ein Teilthema deiner Episode und du gibt den logischen Aufbau preis.
Das werden deine Hörer auch merken. Du wirst sehr strukturiert sein und nicht zu viel abweichen, weil du noch SIEHST, was noch vor dir liegt.
Ich nutze Mindmaps auch gerne im Brainstorming und bin leider mit meinen anderen Workflows zu erfolgreich, um es auch fürs Podcasting auszuprobieren. 😉
Probiere das aber gerne mal aus und es gibt eine Menge guter Tools da draußen, mit denen du schnell und einfach eine gute Mindmap kreieren kannst.
Etwas unkonventionell, aber nicht weniger erfolgreich kann das Arbeiten mit Slides sein. Vor allem für die, die vielleicht eher aus der Screencast- oder Videoecke kommen.
Marit Alke hatte bei den ersten Produktionsphasen ihrer Show gemerkt, dass sie weder mit einem Skript, noch mit einer Sammlung von Stichworten arbeiten möchte.
Irgendwann ist ihr aufgefallen, dass sie durch die Webinarerfahrung recht gut darin ist, sich frei an Präsentationsfolien entlang zu hangeln. Und der Erfolg ihres Podcasts gibt ihr recht.
Du wirst nicht das Gefühl haben, dass sie unsicher ist oder nicht mehr weiß, was sie sagen soll.
Wenn du also auch zu denen gehörst, die sich gut mit Folien beschäftigen können und da entspannt Vortragen können, dann ist das auch etwas für deinen Podcast. Parallel hast du sogar noch Material, dass du zweckentfremden kannst.
Die Folien könntest du über die Podcast-Episode legen und hättest noch ein Film für deinen Youtube-Channel oder bietest ihn als Content-Upgrade für die Folge an. Oder du lädst die Folien bei Slideshare hoch. Auch eine Möglichkeit.
Es sind wie immer viele Wege, die nach Rom führen und es gibt leider auch keinen Königsweg.
Aber dafür hast du die Chance, deinen eigenen Workflow zu finden und ganz entspannt die verschiedenen Arten auszuprobieren. Vielleicht findest du auf dem Wege sogar eine komplett neue Möglichkeit, um dich zu strukturieren oder den roten Faden zu behalten.
Wie auch immer du dich entscheidest…bitte gib mir mal eine Rückmeldung, wenn du die ersten Erfahrungen mit mir teilen möchtest. Gerne kannst du das per Nachricht machen, aber auch gerne hier in den Kommentaren.
Ich wünsche dir nun viel Spaß beim mutigen Ausprobieren oder Erweitern deiner Fähigkeiten.
Klaus Reuss
ich bin den Weg fast genau umgekehrt gegangen. Aber ich habe leider auch die Vorgabe von 60:00 Minuten. Und auch wenn ich über Musik, die Textlänge ein bisschen variieren kann, geht es doch nicht ohne festes Skript. Und natürlich freue ich mich, dass ich gleich einen ´oder sogar mehrere Artikel für den Blog habe.
Das klingt auch gesprochen langsam besser, nicht mehr so künstlich. Aber ich muss natürlich noch viel lernen, und deshalb habe ich mich über deine tollen Tipps sehr gefreut. Klasse Folge!
Liebe Grüße
Klaus
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